Alles bleibt anders 16. September 2020

Jawohl, das Leben „mit Corona“ geht weiter. Aber: „Alles bleibt anders“.
Was haben wir in diesem Jahr nicht bereits alles mitgemacht? Zunächst die Pandemie, vor der sich niemand sicher wähnen kann, dann die durchgreifenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr. Die einen, die sich auf eine finanzielle oder berufliche Krise einstellen müssen, und die anderen, denen das umfassende Kontaktverbot einen Beobachtungsposten in der eigenen Vierwändeeinsamkeit zugewiesen hat, ohne die Chance, sich mit Anderen auszutauschen.
Wir haben erlebt, wie jede/r einzelne von uns irgendwie seltsam wurde: eine Ahnung, dass alles nicht so selbstverständlich ist, wie zuvor angenommen, hat sich breit gemacht und ist als dumpfe Ängstigung geblieben. Selbstverständlichkeiten erleben wir in Frage gestellt: den vollen Kühlschrank, die wohltuenden Rituale der täglichen Begegnungsanlässe rund um Friseur, Toilette- und Wochenmarkteinkauf – alles ist plötzlich erklärungs- und im Detail planungsbedürftig geworden. Das gilt besonders für jede Form von körperlicher Nähe: „Ich habe zuletzt im März einem anderen Menschen die Hände geschüttelt, mein letzter Kontakt“, schrieb im August ein älterer Mann. Und plötzlich war genau das gefährlich, was doch eigentlich Ausdruck von Leben und Heil war: Feiern, Singen, Umarmen.
Im April tauchten die ersten Nachdenktexte über unser Verhalten auf, darunter ein sehr schönes Schaubild, das um die Frage des eigenen Ichs, „Wer und wo bin ich in der Krise?“, die drei vom engen ins offene führenden Kreise zog:

1. Die Angstzone, 2. Die Lernzone, 3. Die Wachstumszone.
In der Angstzone hast Du Toilettenpapier gehamstert und Dich bitterlich über alles beklagt, in der Lernzone hast Du begonnen, das zu lassen, was Du nicht ändern kannst und Dich auf das konzentriert, was ging. Du hast begonnen, falsche von hilfreichen Informationen trennen zu können und zu akzeptieren, dass alle Menschen irren dürfen, auch die Experten.
In der Wachstumszone hast du angefangen, in der Gegenwart zu leben, andere zu sehen und zu versuchen ihnen zu helfen. Du hast Neues, Interessantes und Entwicklungschancen gesehen und damit begonnen, mit der neuen Situation zu spielen. Am Ende warst du auch ein wenig dankbar, dass etwas anders bleibt.

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